- Die Compliance ("Therapietreue")
- Die therapeutische Schulung des Patienten: eine wirksame Maßnahme bei chronischen Erkrankungen
- Ein neues Paradigma für das behandelnde Personal
- Fachübergreifende Kompetenzen des behandelnden Personals im Dienst des Patienten
Die Compliance ("Therapietreue")
Um die Compliance oder ("Therapietreue") der Koronarpatienten zu verbessern ist es entscheidend dieselben Maßnahmen anzuwenden die für chronische Erkrankungen entwickelt wurden: Therapeutische Schulung und Motivation durch Gespräche. Außerdem müssen die verwendeten Informationsmaterialien leistungsfähig sein und zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden um das Verhalten des Patienten günstig zu beeinflussen.
Die "Therapietreue" wird von der Qualität der verwendeten Kommunikationsmittel und von der Kenntnis der Krankheit und ihrer Behandlungsmöglichkeiten beeinflusst.
Die Kommunikation zielt darauf eine Botschaft zu vermitteln um ein Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu müssen die verwendeten Kommunikationsmittel zwei essentielle Parameter berücksichtigen: die Lehrfähigkeit der behandelnden Person und die Auffassungsgabe des Behandelten. Diese beiden Parameter hängen von emotionalen, kognitiven und relationalen Faktoren des Patienten ab und müssen unbedingt von den behandelnden Personen berücksichtigt werden:
Die Finalität des Ganzen ist es den Patienten davon zu überzeugen die Behandlung seiner Krankheit aktiv selbst in die Hand zu nehmen und sich in den Mittelpunkt des Behandlungsprozesses zu stellen. Dies garantiert eine optimale "Therapietreue" und vermindert auf diese Weise das kardiovaskuläre Rezidivrisiko.
Die therapeutische Schulung des Patienten: eine wirksame Maßnahme bei chronischen Erkrankungen
Der chronische Charakter der Krankheit stellt den Faktor Zeit in den Mittelpunkt der medizinischen Behandlung. Außer der Primär oder Sekundärprävention beinhaltet die therapeutische Schulung für die behandelnde Person die Aufgabe zusammen mit dem Patienten ein Therapieprojekt zu erstellen welches die Erfordernisse der Krankheit und die persönliche Lebensplanung des Patienten berücksichtigt.
Die therapeutische Schulung soll den Patienten ermöglichen die nötige Kompetenz zu erlangen um Ihre Krankheit optimal zu managen und somit Ihre Krankheit und Ihr Leben ins Gleichgewicht zu bringen. Dies ist ein kontinuierlicher Prozess der voller Bestandteil der medizinischen Behandlung ist. Die therapeutische Schulung soll den Patienten und Ihren Familien helfen die Krankheit zu verstehen, mit dem behandelnden Personal zu kooperieren, gesund zu leben und Ihre Lebensqualität beizubehalten oder zu verbessern.
(Weltgesundheitsorganisation 1988)
Der Verdienst der therapeutischen Schulung bei der Behandlung chronischer Erkrankungen konnte bei verschiedenen Krankheitsbildern (Diabetes mellitus = Zuckerkrankheit, Asthma, Herzinsuffizienz, Adipositas = Fettleibigkeit, HIV) klar gezeigt werden. Im Besonderen werden "Therapietreue" und Lebensqualität verbessert sowie Komplikationen vermindert, Im Bereich der koronaren Herzkrankheit bestätigte eine kürzlich erschienene umfassende Metaanalyse die Wirksamkeit von Sekundärpräventionsprogrammen um die Sterblichkeit und Rezidivhäufigkeit von Herzinfarkten zu senken.
Andere Arbeiten haben gezeigt, dass der Wahrnehmung der Krankheit ein besonderer Stellenwert zukommt. Dies verbesserte die "Therapietreue" bei kardiovaskulären Rehabilitationsprogrammen.
Die therapeutische Schulung zielt darauf dem Patienten neue Kompetenzen zu vermittlen und Ihm zu helfen seine eigenen Ressourcen oder die seiner Umgebung (Familie, behandelndes Personal, Gesellschaft) zu nutzen.
Der Patient erwirbt so die Fähigkeit ein wirkungsvoller Partner bei der Behandlungsstrategie zu werden. Dies ermöglicht seinerseits dem behandelnden Personal seine Rolle optimal zu erfüllen. Dies impliziert eine besondere Aufmerksamkeit für psychologische und affektive Aspekte. Die Akzeptanz und das Erleben der Koronaren Herzkrankheit, die Veränderung der Selbstwahrnehmung, das Selbstwertgefühl oder das Gefühl selbst etwas zu bewirken sind essentielle Bestandteile einer besseren "Therapietreue" oder Compliance.
Außerdem beinhaltet das langfristige Management der Krankheit Verhaltensänderungen wie Medikamenteneinnahme, Massnahmen der Selbstkontrolle, Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten oder regelmässige körperliche Bewegung die langfristig schwierig durchzuhalten sind. Die an anderer Stelle diskutierte Motivationsarbeit gehört deshalb zu einem vollständigen Prozess der therapeutischen Schulung.
Ein neues Paradigma für das behandelnde Personal
Bei der Betreuung eines chronisch kranken Patienten stellt das Prinzip der therapeutischen Schulung die Rolle des Behandelnden in Frage indem Sie eine Veränderung des Paradigmas vorschlägt.
Schematisiert erwartet der Patient beim Modell der akuten Erkrankung vom behandelnden Personal Antworten, Lösungs- und Behandlungsvorschläge und dies manchmal sehr dringend (Behandelndes Personal aktiv, Patient passiv). Beim Modell der chronischen Erkrankung ist der Patient "Hauptdarsteller bei seiner Behandlung".
Die Perspektive einer langwierigen Behandlung verlangt die Einbeziehung der Person in Ihrer Gesamtheit und die Entwicklung von Hilfsmitteln die den Patienten auf seinem langen Weg begleiten d.h. die Entwicklung seiner eigenen Kompetenzen. Um dies zu erreichen hilft das behandelnde Personal dem Patienten zu verstehen, zu lernen, seine eigenen Kompetenzen zu benutzen, sein Verhalten zu ändern und einen Sinn darin zu finden.
Das behandelnde Personal muss in der Lage sein die Anschauungsweise des Patienten für Ihre therapeutischen Ziele zu benutzen. Es muss den Patienten zu Fragen animieren, Ihn beim Experimentieren anleiten und Ihn auf diese Weise dazu bringen Antworten zu finden und Entscheidungen zu treffen.
Fachübergreifende Kompetenzen des behandelnden Personals im Dienst des Patienten
Die therapeutische Schulung verlangt vielfältige Kompetenzen um der komplizierten und immer einzigartigen Gegebenheit des einzelnen Patienten gerecht zu werden. Diese Kompetenzen können in vier grosse Bereiche eingeteilt werden :
- biomedizinische
- psychosoziale
- pädagogische
- philosophische
Außer den unverzichtbaren biomedizinischen Kompetenzen wird auch der Beitrag der psychosozialen Kompetenzen reichlich von der medizinischen Wissenschaft unterstrichen. Die pädagogischen Praktiken werden aber oft vom behandelnden Personal vernachlässigt weil nur Wenige die Möglichkeit spezifischer Ausbildung hatten.
Ein anderer besonderer Kompetenzbereich betrifft die Langzeitbetreuung chronisch Kranker und könnte als existentiell oder philosophisch bezeichnet werden. Es handelt sich dabei um die Reflexion über den Sinn eines Ereignisses wie das plötzliche Hereinbrechen einer Krankheit im Leben eines Individuums. In diesem Bereich gibt es natürlich weder Wahrheit noch Gewissheit. Diese Kompetenzen können natürlich alle bei einer einzelnen Person vorhanden sein aber am realistischsten und häufigsten sind diese Fähigkeiten im Rahmen eines fachübergreifenden Teams zu finden.